Transformation Endgame 4: Print-Leser zu Digital-Lesern machen – jedes Prozent ist Gold wert

Im letzten „Transformation Endgame“-Artikel (Transformation-Endgame-Teil 3) sprachen wir über die hohe Notwendigkeit, Print-Abonnenten in die parallele Digital-/E-Paper-Nutzung zu bringen. Weil – wenn die Zustellung nicht mehr wirtschaftlich ist – hängt die Akzeptanz des digitalen Produkts im Kern von der bisherigen Digital-Nutzung des Print-Abonnenten ab.

In diesem vierten Artikel aus der „Transformation Endgame“-Reihe geht es ans Eingemachte:

Lets talk Strategy!

Also: „Print-Leser zu Digital-Lesern machen“. Und zwar deutlich bevor die Print-Zustellung unwirtschaftlich wird. Ich würde sagen: sogar mehrere Jahre davor. Nämlich genau jetzt. 45% der Teilnehmer in unserer jährlichen Trendumfrage mit dem BDZV (Link zu den Ergebnissen) sagen, dass „Print-Leser zu Digital-Leser machen“ ihre strategische Priorität in 2024 ist. Das macht Sinn. Aber was ist mit den übrigen 55%?

Wenn Sie zu diesen 55% gehören und der Meinung sind: „In dieser Region werden wir noch drei Jahre wirtschaftlich Print zustellen können“, dann würde ich sagen, Sie sollten zwingend zu den anderen 45% wechseln, für die „Print-Leser zu Digital-Leser machen“ ganz oben auf der Agenda steht. Warum? Das braucht nämlich Zeit. Ich würde schätzen, um ein Gebiet an die Digitalnutzung zu gewöhnen braucht es mehrere Jahre, vermutlich so zwei bis vier Jahre. Eigentlich hätten Sie also schon vorgestern damit anfangen müssen.

Wir brauchen den CPCPS

Und was sind die Maßnahmen?

  • Hotline für Print-Abonnenten, um das Digitalprodukt zu erklären.
  • Vor-Ort Schulungsveranstaltungen.
  • Einzelbesuche von Tablet/E-Paper-Trainern bei Abonnenten.
  • Gewinnspiele, um die Digitalnutzung zu belohnen.

Nein, einfach ist das nicht. Und günstig schon zweimal nicht. Früher war es der Cost-per-Order (CPO), um Kanäle für die Neukundengewinnung zu bewerten. So um die 100 bis 300 Euro waren das meist – je nach Kampagne und Kanal. Zukünftig werden wir über den Cost-per-Converted-Print-Subscriber (CPCPS) sprechen. Aber die Abkürzung ist doch recht sperrig und ja, den Begriff habe ich gerade erfunden. Und diese Kosten werden gar nicht so viel anders sein als die früheren Print-Kosten für eine Neukundengewinnung. Rechnen sie mal mit 100 bis 200 Euro je Print-Abonnent. Umso stärker ich den Print-Abonnenten in die parallele Digitalnutzung kriege, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit der Conversion ins Digital-Produkt. Und umso höher wird die Haltbarkeit im Digital-Produkt sein.

Wir werden neue Taktiken und neue Expertenprofile sehen. Und diese werden stark datenbasiert arbeiten. Experten darin, Print-Abonnenten in die Digitalnutzung zu bringen. Wir werden die integrierte Digitalnutzung über Plus und E-Paper von Print-Abonnenten messen. Genau: Media Time! Wie hoch ist die addierte Nutzungszeit eines Print-Abonnenten über alle Digitalprodukte hinweg? Diese Metrik bestimmt im Kern die Conversion-Wahrscheinlichkeit.

Goodbye Print – neun Strategien für regionale Zeitungsverlage

Und dann? Schalte ich Print-Gebiete Schritt für Schritt ab, wenn ich eine ausreichend hohe Digitalnutzung der Print-Abonnenten erreicht habe? Ja, das ist eine Strategie. Aber nicht die Einzige. Es gibt noch viele andere Print-Strategien und in diese wollen wir jetzt eintauchen.

Wir sehen neun Print-Strategien für regionale Zeitungsverlage. Diese stehen nicht einzeln sondern bauen in zeitlicher Reihenfolge aufeinander auf. Es wird noch komplexer. Die zeitliche Abfolge der Strategien wird regionsspezifisch sein – ja, innerhalb des gleichen Verlags. Warum? Weil die Zustellung in ländlichen Gebieten früher unwirtschaftlich wird als in städtischen Gebieten. Die Zustelldichte bestimmt die Stückkosten in der Zustellung und die Stückkosten in der Zustellung definieren die Wirtschaftlichkeit des Gebiets.

Die Chance im ländlichen Gebiet

Digital bietet eine großartige Chance Gebiete stärker auszuschöpfen, für die die Inhalte einer regionalen Tageszeitung wirklich relevant sind: ländliche Gebiete.

Auf dem Land ist das Interesse an regionaler Berichterstattung tendenziell höher als in der Stadt. Warum? Weil die Bevölkerungsstruktur auf dem Land „gesettled“ ist. Na und? Mein Interesse für regionale Berichterstattung wächst dann, wenn die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass ich nochmal wegziehe. Weil dann betreffen mich Dinge dauerhaft – Kitasituation, Lebensqualität, Parkplätze, Einkaufen, wer ist der Bürgermeister etc. Wenn ich eh nochmal umziehen werde, dann ist mir das alles nicht so wichtig und interessiert mich weniger – es betrifft mich ja nur temporär. Und die Umzugswahrscheinlichkeit sinkt Mitte 30 bis 40 stark, danach ändert sie sich nur noch gering. Heißt: Menschen auf dem Land ziehen mit geringer Wahrscheinlichkeit nochmal um, als Menschen in der Stadt.

Was hat das alles jetzt mit Transformation Endgame und Co. zu tun?
Das Interesse regionaler Berichterstattung ist dem Land tendenziell höher. Aber die Zustellung ist auf dem Land teurer – weil die Zustelldichte geringer ist. Das Produkt Zeitung hat die größte Chance auf dem Land, aber dort ist es am wenigsten wirtschaftlich. Das ändert sich im Digitalen! Zustellkosten spielen dann keine Rolle mehr: keine Zustellung = keine Zustellkosten. Die Kostenseite ist im Digitalen immer gleich, egal ob Stadt oder Land. Und als digital zugestelltes Produkt kann die Zeitung endlich die große Chance „Land“ ausspielen. Was dagegenspricht: höhere Altersstruktur = weniger digital-affin.

Was meinen Sie? Fokus auf Stadt oder Land?

Neun Strategien – das Highberg Print-Strategie-Framework

Jetzt wollen wir uns die Print-Transformations-Strategien genauer anschauen: Das Highberg Print-Strategie-Framework (ja, Highberg! Unser neuer Name, nicht mehr Schickler…).

Wir sehen drei zeitliche Phasen in unserem Print-Strategie-Framework

  1. Print Lebenszeit verlängern
  2. Print-Abonnenten schrittweise digital transformieren
  3. Print abschalten, auf Digital wechseln

In jeder Phase sehen wir unterschiedliche Strategien. Entlang aller Phasen muss die Digitalisierung der Print-Abonnenten vorangetrieben werden.

Phase 1: Print Lebenszeit verlängern

Die Strategien in Phase 1 fokussieren auf die Verlängerung der Lebenszeit von Print. Dies heißt vor allem: die Kostenexplosion der Zustellung abfedern. Wir sprechen über hybride Mitnahme von Briefen in der Frühzustellung und der Logistik als Profit-Center.

Wenn Sie heute Logistik-Geschäftsfelder haben, zum Beispiel einen Briefdienst: Lucky you! Die große Chance, die Zeitungszustellung neu zu denken und auf die Transformation-Endgame-Strategie auszurichten. Führen Sie die Zustellschienen maximal zusammen. Verdichtung ist der Schlüssel.

Wenn Sie heute keine Logistik-Geschäftsfelder haben: Dann werden sie diese auch nicht mehr aufbauen. Aber: Hybride Mitnahme von Briefen in der Tageszeitung-Frühzustellung ist möglich – und aus meiner Sicht Pflicht für jeden Tageszeitungsverlag. Heute können Briefe aus den Netzwerken MailAlliance/P2 und von nationalen Einspeisern (DVS) Straßen-genau (sogar Haus-genau) gesteuert werden. Das heißt: Nehmen Sie nur Briefe mit für Empfänger, die in den Straßen ihrer Print-Abonnenten wohnen. Maximale Synergie auf der Wegstrecke ist das Ziel. Ansonsten geht der Zusteller zu viele Extrawege und verursacht Zusatzkosten. Aber es ist möglich – eine Möglichkeit die Kosten in der Zustellung zugunsten der Tageszeitung in den kommenden Jahren zu dämpfen.

 Phase 2: Print-Abonnenten schrittweise digital transformieren

„Jetzt ist Print weg, nimm das Digitale Produkt!“ – das wird schwierig. Wir werden eher Übergangsmodelle sehen. Dazu gehört: jeden Tag E-Paper und nicht an jedem Tag auch in gedruckter Form. Die Redaktion wird jeden Tag ein E-Paper produzieren – stark KI-unterstützt und mit hohem Automatisierungsgrad. Aber wir werden dies nicht mehr jeden Tag in gedruckter Form bereitstellen. Amedia ist das Vorbild, welches diese Strategie fährt. Eine große Herausforderung: Wie organisiert man Logistik und Druck? Aber ein absolut sinnvoller Weg, um eine schrittweise Gewöhnung an das digitale Produkt zu erreichen und die Print-affinen Abonnenten nicht zu vergraulen.

Phase 3: Print abschalten, auf Digital wechseln

Die letzte Phase: Kein Print mehr, nur noch Digital. Am Wichtigsten: Die Digitalnutzung bei den Print-Abonnenten muss ausreichend hoch sein. Dazu sprachen wir bereits vorne in diesem Artikel. Print abschalten kann nur erfolgreich sein, wenn die Digitalnutzung hoch ist. Und das braucht Zeit.

Der blinde Fleck der Verlage

Das Transformation Endgame ist komplex, die kommenden Jahre herausfordernd. Aus meiner Sicht ist die „Was machen wir mit Print“-Strategie der große blinde Fleck der Verlage. Zu wenige Verlage beschäftigen sich mit diesen Fragestellungen. Die Uhr tickt – und jeder regionale Zeitungsverlage muss für sich diese Strategie entwickeln.

Was ist Ihre Print-Strategie?

Melden Sie sich gerne bei mir. Ich freue mich auf den Gedankenaustausch.

Autor: Dr. Christoph Mayer, Geschäftsführender Partner

E-Mail: christoph.mayer@highberg.com

 

 

Bisher aus der Reihe „Transformation Endgame“ erschienen:

 

 

 

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