Studie zu KI in Verlagen – Potenzial erkannt, Umsetzung stockt

Künstliche Intelligenz wird die Arbeit in Verlagen verändern – so viel steht fest. Doch wie weit ist die Branche tatsächlich? Welche Chancen und Risiken sehen die Unternehmen? Und wo hakt es bei der Umsetzung? Um diese Fragen zu beantworten, hat die IG Digital des Börsenvereins gemeinsam mit  Highberg eine breit angelegte Studie durchgeführt. Die Ergebnisse liefern ein differenziertes Bild: Die Erwartungen an KI sind hoch, die Nutzung bisher gering – und die Bedenken vielfältig.

Eine Branche am Beginn der Transformation

Für die Studie wurden 139 Personen aus Verlagen aller Größenklassen und Sparten anonym befragt – von der Belletristik bis zum Fachbuch, vom Management bis zum Vertrieb. Besonders hoch war die Beteiligung bei mittelgroßen Belletristikverlagen. Die Analyse zeigt: Der Großteil der Branche steht noch ganz am Anfang der Auseinandersetzung mit KI. Nur 9 Prozent der Befragten schätzen die heutige Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für ihr eigenes Unternehmen als hoch oder sehr hoch ein. Gleichzeitig ist das Zukunftsbewusstsein stark ausgeprägt: 84 Prozent glauben, dass KI in fünf Jahren ein wichtiger oder sogar entscheidender Erfolgsfaktor sein wird.

Diese Diskrepanz zwischen Zukunftserwartung und aktueller Realität zieht sich durch viele Ergebnisse der Studie. Sie verdeutlicht, dass die Transformation zwar gewollt ist – aber in der Umsetzung noch viele Hürden bestehen.

Chancen ja – aber auch viele offene Fragen

Die Bewertung von Chancen und Risiken fällt in der Branche vorsichtig optimistisch aus: Nur 29 Prozent sehen die Chancen klar im Vordergrund, 53 Prozent bewerten Chancen und Risiken als ausgewogen, und 14 Prozent nehmen vor allem die Risiken wahr. Diese Vorsicht ist nicht unbegründet, denn viele Unternehmen stoßen beim Thema KI schnell an strukturelle und rechtliche Grenzen.

Als größte Herausforderungen werden genannt:

  • fehlendes Know-how bei den Mitarbeitenden,
  • mangelnde personelle oder finanzielle Ressourcen,
  • unklare rechtliche Rahmenbedingungen, etwa bei Urheberrecht und Datenschutz,
  • sowie Unsicherheiten bei konkreten Einsatzmöglichkeiten und der Qualität der Ergebnisse.

Zudem befürchten viele eine Flut an KI-generierten Inhalten, die die Sichtbarkeit und Differenzierung verlegerischer Produkte erschweren könnte. Diese Sorge trifft einen wunden Punkt der Branche: Wenn jedes Unternehmen mit wenigen Klicks Content in Masse produzieren kann, droht der Qualitätsanspruch, der viele Verlage auszeichnet, unterzugehen.

Marketing als Hoffnungsträger – aber kaum genutzt

Am deutlichsten zeigt sich das Missverhältnis zwischen Potenzial und Praxis im Bereich Marketing und Vertrieb. 72 Prozent der Befragten sehen hier den größten Hebel für den Einsatz von KI. Doch bisher nutzen weniger als die Hälfte tatsächlich entsprechende Tools. Dabei reichen die Anwendungsfelder vom automatisierten Texten von Werbebotschaften über die Optimierung von Kampagnenbudgets bis hin zur Personalisierung von Marketinginhalten.

Auch in anderen Bereichen wird KI bereits punktuell eingesetzt oder zumindest geplant. Besonders häufig genannt wurden:

  • Content-Generierung und -Bearbeitung (68 Prozent), etwa für Social-Media-Posts, Pressemappen oder Vorschautexte,
  • Prozessoptimierung (59 Prozent), etwa durch automatisierte Abläufe in Redaktion oder Produktion,
  • Recherche und Aggregation von Inhalten (51 Prozent), beispielsweise zur Markt- oder Themenbeobachtung.

Deutlich seltener werden bislang KI-gestützte Anwendungen in der Produktentwicklung (28 Prozent) oder bei rechtlichen und ethischen Fragestellungen (12 Prozent) genutzt – obwohl gerade hier viele Fragen offen sind.

KI in der Praxis: Erste Beispiele aus Verlagen

Trotz aller Zurückhaltung zeigt die Studie auch: Einige Verlage nutzen KI bereits produktiv – und durchaus kreativ. So setzen manche Unternehmen auf personalisierte Buchempfehlungen, die auf individuellen Nutzerinteressen basieren. Andere optimieren ihre Marketingbudgets mithilfe datengetriebener Algorithmen oder lassen KI unterstützend bei der Texterstellung arbeiten – von Headlines bis zu Klappentexten.

In Fachverlagen werden KI-Systeme verwendet, um Inhalte in Podcasts oder Hörbücher umzuwandeln – ein Mehrwert nicht nur für barrierefreies Publizieren, sondern auch für neue Zielgruppen. Bildungsverlage experimentieren mit dynamischen Lernmaterialien, die automatisch an den Lernfortschritt angepasst werden, inklusive automatisch generierter Quizfragen und sogar Hausaufgabenkorrekturen.

Auch erste Formen der Produktpersonalisierung lassen sich beobachten: Bücher oder digitale Inhalte, die individuell angepasst oder zusammengestellt werden, basierend auf Nutzerverhalten, Vorlieben oder Lernprofilen.

Qualifikation als Schlüsselthema

Ein zentrales Ergebnis der Studie betrifft das Wissen und die Fähigkeiten im Umgang mit KI. 73 Prozent der Befragten sehen den größten Handlungsbedarf in der Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeitenden. Ohne ein grundlegendes Verständnis von Funktionsweise, Chancen und Grenzen künstlicher Intelligenz bleibt der Sprung von der Idee zur Umsetzung schwierig.

Fazit: Wandel mit Unsicherheiten – aber auch mit klaren Chancen

Die Studie zeigt: Die Verlagswelt ist sich der Bedeutung von KI bewusst. Die Erwartungen an das Potenzial sind hoch – besonders mit Blick auf die nächsten Jahre. Doch der Weg dorthin ist noch voller offener Fragen. Viele Unternehmen stehen ganz am Anfang, manche haben erste Schritte gemacht, andere beobachten noch zurückhaltend.

Was jetzt gebraucht wird, ist Orientierung. Verlage benötigen nicht nur technologisches Know-how, sondern auch strategische Klarheit, rechtliche Sicherheit und den Mut, Neues auszuprobieren. Die Ergebnisse der Studie wurden auf der future!publish in Berlin vorgestellt – ein passender Rahmen, um den Dialog über die Zukunft der Branche zu vertiefen.

Link zum Börsenverein mit Download der Studie:
https://www.boersenverein.de/interessengruppen/ig-digital/detailseite-aktuelles/ergebnisse-der-ki-studie-unter-verlagen/

 

Kontakt

Hendrik Langen, Partner HIGHBERG, E-Mail: hendrik.langen@highberg.com

 

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