Warum wir in Verlagen nach Produkten strukturierte Organisationen brauchen

„Wer ist hier eigentlich für das E-Paper zuständig?“

Also, wer ist zuständig? Haben Sie eine Antwort für Ihren Verlag? Ja? Sehr gut!

Und wer ist zuständig für Print? Wie ich das meine? Wer ist verantwortlich dafür, wie Print aussieht, wie es sich anfühlt, wie der Umfang ist, wie der Preis ist, wo zugestellt wird und wo nicht, etc. Jemanden halt, der für das Produkt verantwortlich ist. Das ist bei Ihnen verteilt? Dachte ich es mir. Dann lassen Sie uns darüber sprechen, warum wir wegmüssen von Funktionsverantwortung (Lesermarkt, etc.) hin zu Produktverantwortung.

Nein, keine „Querschnitts-Ich-darf-am-Ende-dann-doch-nichts-entscheiden“-Product Owner. Ich rede von vollumfänglichen Produktverantwortlichen mit disziplinarischer Verantwortung und eigener Gewinn- und Verlustrechnung für ihr Produkt. Dazu gleich mehr.

Wir steuern auf eine Dreiteilung der Abonnentenzahlen hin: Print 1/3, E-Paper 1/3, Plus 1/3. Damit wird die Welt komplizierter. Willkommen im Produktportfolio-Management. Denn nur so lassen sich großartige Produkte entwickeln und auf Zielgruppen ausrichten. Dass dies in Verlagen heute nicht passiert, liegt an den Strukturen – Funktionen sind im Fokus. Das heißt: Nicht einer ist verantwortlich, sondern viele. Verantwortungsdiffusion, die zu schlechten Produkten führt, ist die Folge.

Aktuell zeigt sich das zum Beispiel an der Frage: „Wo können wir die gedruckte Tageszeitung noch zustellen?“. Die Logistik sagt: Ich kann überall zustellen, es kostet halt unterschiedlich. Der Lesermarkt sagt: für mich zählt der Umsatz und die Auflage, jeder Abonnent ist da wichtig. Die Redaktion sagt: Wir müssen möglichst viele Leser erreichen, bloß nix abschneiden. Der Geschäftsführer sagt: wenn ich auf die Zahlen schaue, dann machen wir aber bald Verluste.
Was würde ein entscheidungsbefugter „Produktverantwortlicher Print“ tun?

Funktionen müssen in den Hintergrund rücken. Das Produkt in den Vordergrund.

Gemeinsam mit 20 Chefredakteur:innen haben wir Mitte 2024 im Rahmen des DRIVE-Projekts in Hamburg über die Redaktion der Zukunft und deren Organisationsmodell diskutiert. Herausgekommen ist unter anderem dieses Bild:

Die vollumfängliche Produktverantwortung steht im Fokus. In jedem Produktstrang sind alle Funktionen disziplinarisch zugeordnet, die für das Produkt notwendig sind.

Beispiel: Print-Seitenproduktion gehört zu Print. Pricing für Print auch. Und der Print Product Owner ist Auftraggeber für Druck und Logistik. Auch Abomarketing ist in die Produktstränge verteilt. Warum? Weil es für Print anders funktioniert als für Plus.

Wie kann das funktionieren? Einige Gedanken:

  • Jedes Produkt hat einen klaren Product Owner, mit eigener Gewinn- und Verlustrechnung (für die BWL-Spitzfindigen unter uns: so eine Art DB2-GuV. Nein, die Redaktion wird nicht in die Produkte verrechnet). Der Produkt Owner optimiert seine GuV.
  • Mitarbeiter in einem Produktstrang sind dort disziplinarisch zugeordnet.
  • Die Product Owner berichten an die Geschäftsführung.
  • Die Product Owner sind Auftraggeber für andere Bereiche, die im Kern für das Produkt arbeiten. Zum Beispiel bei Print: für die Logistik.
  • Einige Funktionen gehen aus der Redaktion in die Produktstränge, z.B. Seitenproduktion.
  • Es entstehen neue Schnittstellen: dafür müssen Spielregeln aufgestellt werden (z.B. beim Bundling von Produkten).
  • Und noch weitere Spielregeln: Es zahlt auf meine Print-GuV ein, wenn ich einen Print-Abonnenten zu einem E-Paper-Abonnenten mache und diesen zum E-Paper Product Owner übergebe. Eine Art einmalige Lead-Vergütung. Damit kann man steuern, dass der Leser das für sie/ihn beste Produkt kriegt.
  • Es ist explizit keine Matrixorganisation. Die Produkt Owner sind vollumfänglich verantwortlich.
  • Die Produktverantwortlichen definieren die Formate, die ihr Produkt erfordert und stimmen diese mit der Redaktion ab. Aber Inhalt ist doch Inhalt? Nein. Print, E-Paper, Plus, App, Podcast, Newsletter. Jedes Produkt hat andere Zielgruppen, benötigt andere Aufbereitung von Inhalten (Video, Kurzversionen, Zusammenfassungen, Aufzählung statt Fließtext).

Und jetzt gibt es jemanden, die/der für das E-Paper zuständig ist. Und für Print. Und für Plus. Es wird höchste Zeit.

Haben Sie Gedanken dazu? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

Christoph Mayer, Partner Highberg
Email: christoph.mayer@highberg.com

Gregor Landwehr, Senior Consultant Highberg
Email: gregor.landwehr@highberg.com

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