Transformation in der Medienbranche: Worauf kommt es wirklich an?

Mit der Zunahme digitaler Plattformen und der sinkenden Beliebtheit traditioneller analoger Kanäle müssen Medienunternehmen seit geraumer Zeit ihre Rolle neu definieren, um relevant zu bleiben. Die Digitalisierung eröffnet die Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen, personalisierte Inhalte anzubieten und neue Erlösmodelle zu entwickeln, wie z.B. Abonnementdienste, Pay-per-View und interaktive Inhalte. Entsprechend steht die Branche vor signifikanten Herausforderungen und Chancen durch den rasanten technologischen Fortschritt und damit verbundenen veränderten Kundengewohnheiten.

Transformation = Digitalisierung? Nicht nur, es ist viel mehr….

Die hohe Komplexität der hierbei relevanten Faktoren macht die Medienbranche zu einem idealen Showcase für Transformationsprozesse. Transformation in diesem Sektor bedeutet nicht nur die Digitalisierung von Inhalten, sondern auch eine tiefgreifende Veränderung in Strategie, Geschäftsmodellen und der Kultur innerhalb von Organisationen.

Der große Unterschied zu bisherigen Veränderungsprozessen liegt in der Geschwindigkeit, der Unsicherheit und der Parallelität notwendiger Maßnahmen. Ein gutes Beispiel hier ist die Transformation in Redaktionen. Letztere sind damit konfrontiert in bisher ungewohnt kurzer Zeit gleichzeitig…

  • Workflows möglichst vollständig zu digitalisieren
  • datenbasierte Steuerung der Wertschöpfung einzuführen
  • eine häufig noch relativ hierarchische und konservative Führungskultur anzupassen
  • Kollegen unterschiedlicher Generationen und Hintergründe an einem Strang ziehen zu lassen
  • agile Arbeitsmethoden einzuführen, u.a. um Reaktionszeiten auf Ereignisse / Entwicklungen weiter zu reduzieren
  • Chancen technologischer Entwicklungen (z.B. generative AI) zu erkennen und zügig in die organisatorische Realität der Redaktion einzubinden
  • Organisationsstruktur und Ressourcen wiederkehrend an sich wandelnde wirtschaftliche Rahmenbedingungen anzupassen
  • kontinuierlich neue Angebote entwickeln, um relevant für die Zielgruppe zu bleiben – ein zum Teil völlig neues Rollenverständnis

Diese hohe Komplexität zu managen, ohne dabei die Belegschaft vollends zu verunsichern bzw. orientierungslos zu lassen, ist die eigentliche Herausforderung einer Transformation. Die inhaltlichen Aspekte sind selbstverständlich auch nicht trivial, meist aber nicht ausschlaggebend für lahmende bzw. kaum stattfindende Transformationsprozesse.

Transformation ohne genaues Zielbild? Entscheidend ist die gemeinsame Sicht des Führungsteams

Ein weiterer Faktor erhöht den Grad der Herausforderung von Transformationsprozessen, auch und gerade im Medienumfeld. Die meisten Entscheider sind es gewohnt, dass Veränderungsprozesse mit einem Zielbild verbunden sind. Diese Zielbilder sind meistens in einer Art von Strategieprozess entstanden und in Form von Zielportfolios, Zielstrukturen, Soll-Prozessen, Business Cases oder ähnlichem „visualisiert“. Liegt solch ein Zielbild vor, orientieren sich alle Maßnahmen und Pläne an der Erreichung dieses Zielbildes.

Transformationsprozesse haben in den meisten Fällen kein klares Zielbild, auch und insbesondere aufgrund der Komplexität und der Unsicherheit aus sich schnell wandelnden Rahmenbedingungen. Man begibt sich also auf eine Reise zu einem Zustand, den man anfangs nur in Bezug auf „Qualitäten“ beschreiben kann. Diese Qualitäten sind erstmal nur grob ausformuliert, z.B. „Um zukünftig erfolgreich zu sein, müssen wir…

  • viel schneller auf externe Anforderungen reagieren können
  • attraktiver für Talente am Arbeitsmarkt sein
  • eine fehlertolerante Kultur ermöglichen
  • ein ökologisch und sozial nachhaltiges Geschäftsmodell haben
  • Technologien als einen Kern unserer Wertschöpfung sehen
  • Kollaboration als Mittelpunkt unseres Strukturmodells sehen (kein Silodenken mehr)
  • …“

Unsere Erfahrung zeigt, dass eine gemeinsame Sicht des Führungsteams auf diese Qualitäten häufig ausreicht, um sich auf den Transformationsweg zu machen. Die Definition und konkrete Umsetzung notwendiger Maßnahmen, um diese Qualitäten zu erreichen erfolgt meist erst im Rahmen der Transformation. Zu Beginn allerdings kann mithilfe dieser gemeinsamen Sicht aber schon eine Diagnostik erstellt werden, was im Ist-Zustand diesen Qualitäten zuwider läuft. Und meist sind dies eher Aspekte rund um Führung, Kultur, Historie und Strukturmodell und weniger um spezifische Workflows oder Tools. Im Anschluss kann auf Basis dieser Diagnostik gemeinsam definiert werden, wie man im laufenden Transformationsprozess mit den zu erwartenden Widerständen, Unsicherheiten und Ängsten umgehen will. Letztere werden zwangsläufig aufkommen, da die Transformation eben an die Grundfeste der Kultur und des Führungs- bzw. Strukturmodells geht. Schafft man es zu Beginn der Transformation eine Art „Pakt“ für die Art des Umgangs mit diesen Herausforderungen zu schließen, lassen sich diese im laufenden Prozess auch meistern.

Umgang mit Widerständen ist die Königsdisziplin der Transformation

Die Transformation muss entsprechend als ein Prozess gesehen werden, der zwar einen klaren Anfang hat, aber dessen Zeitraum und Zielzustand erstmal nur grob definiert ist. Wichtig hierbei ist, dass ein Führungsteam gemeinsam in diesen Prozess eintritt und eine einvernehmliche Sicht darauf hat, wie dieser Prozess insbesondere aus menschlicher und kultureller Sicht gesteuert werden soll. Die meisten inhaltlichen Aspekte dagegen werden erst im Laufe der Transformation ersichtlich und bearbeitet bzw. gelöst. Erfolgreiche Transformationsprozesse kennzeichnen sich entsprechend dadurch, dass das Zielbild zunehmend konkreter und spürbarer wird und dadurch auch das Vertrauen zueinander als auch in das Erreichen des Zielbildes wächst.

Unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren (nicht nur aus der Medienbranche) haben einerseits gezeigt, dass Transformationsprozesse bereits zu Beginn als chancenlos gesehen werden, wenn keine Akzeptanz herrscht. Und andererseits, dass die Transformation zwangsläufig mit vielen Ängsten und Widerständen zu tun hat – diese wiederum aber vollkommen normal und überbrückbar sind. Der Umgang mit diesen Aspekten ist die Königsdisziplin eines Transformationsprozesses.

Abschließend hierzu in eigener Sache:
auch die Beratungsbranche insgesamt und wir im Besonderen haben gelernt, dass erfolgreiche Transformationsberatung mehr braucht als das „klassische“ Beratungs-Knowhow. Neue und sehr spannende Felder wie Organisationsdiagnostik, Coaching sowie die Einführung agiler Arbeits- und Führungsmethoden ergänzen das bisherige Portfolio. Dies führt auch zu einer kontinuierlichen Veränderung unseres Selbstverständnisses und der Herangehensweisen wie wir sie in unserer Branche bisher nicht gekannt haben.

Was sind Ihre Erfahrungen? Gerne stehe ich für eine Diskussion zur Verfügung, sprechen Sie mich einfach an.

Autor: Alexander Kahlmann, Partner Highberg

E-Mail: alexander.kahlmann@highberg.com

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