Redaktionen produzieren die falschen Inhalte
Neben dem Genre- und dem Inhalte-Mix erhalten Redaktionen durch die sogenannten Leserbedürfnisse eine weitere wichtige Dimension zur redaktionellen Planung. Die Logik von Leserbedürfnis-Modellen ist schnell beschrieben: Welche grundlegenden Bedürfnisse wurden durch die Inhalte angesprochen, die das meiste Engagement generieren konnten? Hypothese: Ein Fokus auf diese Leserbedürfnisse sorgt in Zukunft für mehr Media Time und digitale Abonnements.
Zu viel News und zu wenig tiefergehende Stücke
Wir haben bei DRIVE einen Algorithmus trainiert, der in der Lage ist automatisch zu erkennen, welches Leserbedürfnis in einem Artikel angesprochen wird. Die Analyse der Verteilung dieser Leserbedürfnisse über alle DRIVE-Verlage fördert interessante Erkenntnisse hervor: Regionale Verlage bieten zu viele klassische Nachrichten-Stücke an, obwohl emotional ansprechende und inspirierende Artikel wie „Inspire me“ das höchste Engagement erzielen.
Das Chart zeigt deutlich, welches Ungleichgewicht auf den Portalen herrscht: Die inspirierenden Stücke und die Meinungsstücke (Give me Perspective) erzielen gemessen an der Artikelanzahl deutlich mehr anteilige Media Time. Ergo: Aus diesem Bereich werden derzeit zu wenig Inhalte angeboten. Von den Update Me Stücken und den Help Me Stücken gibt es derzeit zu viele Inhalte.
Dieses Ungleichgewicht wird besonders deutlich, wenn man die Performance der einzelnen Leserbedürfnisse für Abo-Abschlüsse (Conversions) betrachtet:
Hier ist auf der Nulllinie der durchschnittliche Beitrag eines Artikels auf dem Weg zu einer Conversion zu sehen. Vier Leserbedürfnisse ziehen diesen Durchschnitt nach oben. Zwei Leserbedürfnisse ziehen den Durchschnitt nach unten. Besonders schade ist, dass Update Me unterdurchschnittlich performt, obwohl mit Abstand die meisten Artikel hier veröffentlicht werden. Hier sehen wir großes Optimierungspotential.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein inspirierender „Inspire me“ und einordnender Artikel wie „Give me Perspective“ zu einer Conversion führt ist deutlich höher als bei den anderen Leserbedürfnissen.
Der optimale Mix an Leserbedürfnissen ist in jedem Themengebiet anders
Die gezeigten Analysen lassen sich mit den DRIVE-Algorithmen beliebig auf verschiedene Themengebiete zuschneiden. Das folgende Chart zeigt erneut die Over- oder Underperformance eines Leserbedürfnisses an. Diesmal ziehen wir allerdings nicht die Conversions heran, sondern die Media Time und vergleichen das Themengebiet Sport mit dem Themengebiet Politik:
Besonders auffällig ist, dass gerade die inspirierenden Stücke und die Meinungsstücke im Sport eine überdurchschnittlich hohe Media Time generieren. Im Bereich Politik sind diese Leserbedürfnisse eher an der Nulllinie. Die Politik-Stücke funktionieren besonders gut, wenn man sie auf das Educate Me Bedürfnis ausrichtet.
Redaktionen müssen dieses Wissen um die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser in die redaktionelle Planung einfließen lassen und sich aktiv gegen die schnellen Nachrichten und für die unterhaltenden Stücke entscheiden.
Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Nutzungsgewohnheiten, unterschiedliche Leserbedürfnisse
Ohne personalisierte Empfehlungen würde das Geschäftsmodell von Amazon, Netflix, Youtube & Co. nicht funktionieren. Verlage legen hingegen für alle Leserinnen und Leser das gleiche in die Auslage – unabhängig davon, ob es sich um Laufkundschaft oder Stammkunden handelt. Dass das zu kurz gedacht ist, beweisen erneut die Leserbedürfnisse. Vergleicht man die Performance der Leserbedürfnisse von loyalen und illoyalen Nutzern, wird deutlich, wie wichtig Personalisierung ist:
Loyale Nutzerinnern und Nutzer haben ein viel größeres Interesse an Give Me Perspective und Educate Me Inhalten. Gleichzeitig interessieren sie sich weniger stark für die Nachrichtenstücke. Diese individuellen Bedürfnissen gilt es zu berücksichtigen, wenn man für alle das Angebot optimieren will
Leserbedürfnisse entfalten ihr Potential, wenn sie in die Planung der zukünftigen Berichterstattung einfließen.
Zu wissen, welches Leserbedürfnis in einer Themenkategorie in der Vergangenheit gut funktioniert hat, ist die eine Sache. Dieses Wissen in der Praxis einzusetzen, um die zukünftige Berichterstattung zu verbessern, eine ganz andere. Aber nur so erhält die Leserschaft Einzug in das Zentrum der redaktionellen Planung. Wie wir es bei DRIVE geschafft haben, dass 13 regionale Verlage die Leserbedürfnisse in ihren Redaktionen etabliert haben, erfahren Sie in unserem nächsten Newsletter!
Autor: Lennart Johannknecht, Senior Consultant SCHICKLER
E-Mail: l.johannknecht@schickler.de
Autor: Rolf-Dieter Lafrenz, Geschäftsführer SCHICKLER
E-Mail: r-d.lafrenz@schickler.de
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