Zehn Erfolgsfaktoren für die agile organisationale Transformation in Medienunternehmen

Die Medienbranche befindet sich wie die meisten anderen Wirtschaftszweige in einem stetigen Wandel, der sich eher beschleunigt als verlangsamt. Digitale Technologien, sich verändernde Konsumgewohnheiten und zukünftig weitere Einflussfaktoren wie z.B. Nachhaltigkeit erfordern ständig neue Herangehensweisen. Agile Transformation ist ein vielversprechender Ansatz, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Klassische Fragestellungen im Medienumfeld, die mit der Einführung agiler Arbeitsmethoden verbunden sind, sind z.B:

  • Wie können wir Print-Abonnenten länger binden, indem wir häufiger attraktive analoge und digitale Touchpoints mit dem Abonnenten entwickeln?
  • Wie können wir unsere Kanäle (Web, App, E-Paper, …) parallel weiterentwickeln, ohne dass Engpässe entstehen?
  • Wie können wir unsere Technologiebasis kontinuierlich à-jour halten, ohne die Produktentwicklung zu gefährden?
  • Wie stellen wir sicher, dass wir die Potenziale von Data&KI optimal in unserer Produktentwicklung berücksichtigen?
  • Wie schaffen wir es, eine deutlich breitere und spezifischere Angebotsbasis für unsere Werbekunden zu schaffen?

Doch was genau bedeutet agile Transformation, was sind ihre Effekte und welche Herausforderungen gilt es zu meistern?

Die Notwendigkeit einer agilen Transformation

In einer Zeit, in der traditionelle Geschäftsmodelle ins Wanken geraten, ist die Fähigkeit zur schnellen Anpassung überlebenswichtig. Medienunternehmen müssen in der Lage sein, schnell auf technologische Entwicklungen und veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Im Kern geht es dabei um zwei Aspekte: Flexibilität und Schnelligkeit. Genau diese beiden Aspekte stehen im Fokus agiler Methoden. Sie ermöglichen es Unternehmen, ihre Prozesse deutlich flexibler zu gestalten und gleichzeitig die Geschwindigkeit bei der Neu- und Weiterentwicklung von Angeboten & Services für den Kunden zu erhöhen.

Dies führt insbesondere zu einer massiven Steigerung der Innovationsfähigkeit. Durch kürzere Entwicklungszyklen und regelmäßiges Feedback können neue Produkte und Dienstleistungen schneller auf den Markt gebracht werden. Zum anderen haben die Erfahrungen bei der Einführung agiler Teams in Medienunternehmen gezeigt, dass eine solche agile Transformation die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter deutlich erhöht. Letzteres ist in Zeiten von Fachkräftemangel und hohen Ansprüchen der jüngeren Generationen ein zentrales Thema. Teams arbeiten selbstorganisierter und übernehmen mehr Verantwortung, was zu einer höheren Identifikation mit den Aufgaben, den Angeboten und dem Arbeitgeber führt.

Herausforderungen in der Umsetzung

Die Einführung agiler Methoden ist jedoch kein Selbstläufer. Eine der größten Herausforderungen ist die Veränderung der Unternehmenskultur. Agilität erfordert flache Hierarchien und eine offene Kommunikationskultur, was in vielen Medienunternehmen oft auf Widerstand stößt, auch wenn es eigentlich gewünscht ist. Zudem müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geschult werden, was zeit- und kostenintensiv sein kann.

Ein weiteres Hindernis ist die Integration agiler Methoden in bestehende Prozesse. Dies erfordert eine sorgfältige Planung und kontinuierliche Anpassungen. Unternehmen müssen bereit sein, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen, was nicht immer einfach ist.

Die 10 Erfolgsfaktoren

Um den Übergang zu einer tatsächlich agilen Organisation erfolgreich zu gestalten, sollten aus unserer Erfahrung u.a. folgende Aspekte beachtet werden:

  1. „Aufbrechen“ neuer Angebote / Prozesse

Agile Methoden wie Scrum oder Kanban fördern die iterative Entwicklung. Neue Angebote, Prozessoptimierungen o.ä. werden in Einzelteile (sogenannte User Stories oder Features) „aufgebrochen“ und in kurzen (meist 2-wöchigen) Sprints oder Zyklen geplant, entwickelt, getestet und überarbeitet. Dies ermöglicht regelmäßiges Feedback und Anpassungen, wodurch Produkte / Dienstleistungen und Prozesse kontinuierlich verbessert werden können. Dieses Vorgehen ist auch für interne Dienstleister (shared service provider) geeignet, da sie auch dazu angehalten sein sollten, ihr Angebot ggü. internen Kunden stetig zu optimieren / weiterzuentwickeln.

  1. Cross-funktionale Teams

Stellen Sie Teams zusammen, die aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Fachbereichen bestehen. Solche cross-funktionalen Teams können eigenständig arbeiten und sind in der Lage, komplexe Aufgaben effizient zu lösen, da alle notwendigen Kompetenzen im Team vorhanden sind. Vermeiden Sie weitestmöglich regelmäßige Schnittstellen mit den restlichen Bereichen. Ein Klassiker ist die Einbindung redaktioneller und technischer Kapazitäten in solche Teams. Nur dadurch können diese Teams Lösungen und Angebote zu einem ausreichendem Reifegrad bringen, ohne auf nicht-agile Ressourcen zurückgreifen zu müssen, was zu Friktionen und Geschwindigkeitsverlust führt.

  1. Abbildung Regelprozesse anstatt Projekte

Klassischer Fehler bei der Einführung agiler Teams ist, dass sie dazu eingesetzt werden, Projekte „agil“ zu managen anstatt Regelprozesse agil zu gestalten. Das Ergebnis ist in den allermeisten Fällen ein Versanden der agilen Transformation und fehlende Akzeptanz im Unternehmen. Eine agile Transformation wirkt nur dann nachhaltig, wenn sie auf die wichtigen Regelprozesse des Unternehmens bezogen wird, z.B. im Bereich der Kundenbindung, der Produktentwicklung oder des Kundenservice. Nur hierdurch wird die Agilität sobald sie rund läuft dauerhaft im Unternehmen verankert und erzeugt das notwendige Gefühl bei den Kollegen, dass sie nachhaltige Effekte im Unternehmensalltag hervorbringt.

  1. Messen, messen, messen

Erfolgreich eingeführte agile Teams sind in der Lage, sehr schnell sichtbare Ergebnisse / Effekte zu liefern. Die Herausforderung besteht darin, die richtigen Kenngrößen zur Messung dieser Effekte zu definieren und sie auch effizient in kurzer Frequenz zu messen. Nur hierdurch schafft man Motivation im Team, Lerneffekte zur Optimierung der Arbeitsweisen und Akzeptanz auch jenseits des Teams (inkl. Management). Diese ersten Kenngrößen müssen nicht kaufmännischer Natur sein sondern sind häufig eher Aspekte wie „Genauigkeit der Lieferprognosen des Teams“ oder „Anzahl neuer Angebotsbestandteile pro Periode“ oder „Entwicklungsproduktivität“. Unsere Projekterfahrung hat auch gezeigt, dass die regelmäßige Messung der Zufriedenheit der Teammitglieder sehr gute Anhaltspunkte auch für den inhaltlichen Fortschritt des Teams gibt. 

  1. Kadenz, Kadenz, Kadenz

Das Arbeiten in festen zeitlichen Strukturen, sogenannten Kadenzen, ist von zentraler Bedeutung für eine effektive agile Organisation. Diese festen zeitlichen Rhythmen erlauben es der Organisation sich gut zu synchronisieren, insbesondere wenn mehrere miteinander verbundene agile Teams reibungslos miteinander arbeiten sollen. Durch solch eine einheitliche Kadenz können auch feste Abstimmungsrhythmen u.ä. problemlos eingeführt und gelebt werden. Darüber hinaus schaffen sie eine Art der Verbindlichkeit in der Lieferung vereinbarter Ergebnisse aus den Teams.

  1. Klassische Organisation sukzessive auflösen

Die ersten agilen Teams sind erstmal umgeben von der klassischen Organisation. Mit den richtigen Methoden und intensiver Kommunikation, funktioniert dieser Spagat, führt aber noch nicht zur agilen Transformation. Letztere ist dadurch gekennzeichnet, dass die klassische Organisationsform sukzessive aufgelöst wird indem sie in den agilen Teams aufgeht. Dies gilt nicht zwingend für alle Organisationsbereiche, aber für viele. Arbeiten z.B. bereits die meisten Produktteams agil, sind eigene Einheiten für Marketing oder Produktmanagement oder Front-End Entwicklung irgendwann nicht mehr notwendig, da diese Rollen bereits in den agilen Teams verortet sind.

  1. Flexible und anpassungsfähige Planung

Planen Sie die Entwicklung bzw. Optimierung von Angeboten und Prozessen flexibel und anpassungsfähig. Anstatt langfristige, starre Pläne zu erstellen, setzen Sie auf eine agile Roadmap, die regelmäßig überprüft und angepasst wird, um auf Veränderungen im Markt oder im eigenen Umfeld reagieren zu können.

  1. Kundenzentrierung

Stellen Sie den internen oder externen Kunden in den Mittelpunkt Ihrer Aktivitäten. Regelmäßige Nutzer-Feedbacks und die Einbeziehung der Kunden in den Entwicklungsprozess helfen, Angebote bzw. Prozesse zu entwickeln, die den tatsächlichen Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppe entsprechen.

  1. Empowerment der Teams

Ermöglichen Sie Ihren Teams, selbstorganisiert und eigenverantwortlich zu arbeiten. Vertrauen Sie auf die Expertise und das Urteilsvermögen der Teammitglieder und geben Sie ihnen die Freiheit, Entscheidungen zu treffen.

  1. Kontinuierliches Lernen und Verbesserung

Fördern Sie eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Verbesserung. Investieren Sie in die Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden und schaffen Sie eine Umgebung, in der das Experimentieren und das Lernen aus Fehlern gefördert werden. Diese Empfehlung klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber eine zentrale Voraussetzung für die Erfolgswahrscheinlichkeit agiler Transformationen.

Fazit: Ein Balanceakt mit Potenzial

Die agile organisationale Transformation bietet Medienunternehmen enorme Chancen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und sich langfristig zu behaupten. Sie erfordert jedoch auch einen grundlegenden Wandel in der Arbeitsweise und der Unternehmenskultur. Der Weg zur Agilität ist ein Balanceakt, der Mut und Entschlossenheit erfordert. Doch die positiven Effekte, wie erhöhte Innovationskraft und Mitarbeiterzufriedenheit, zeigen, dass sich dieser Weg lohnt.

Was sind Ihre Erfahrungen? Gerne stehe ich für eine Diskussion zur Verfügung, sprechen Sie mich einfach an.

Autor: Alexander Kahlmann, Partner Highberg

E-Mail: alexander.kahlmann@highberg.com

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