Kostenexplosion in der Zustellung und Logistik von Zeitungsverlagen – wo können wir sparen?

Es ist Planungssaison in Verlagen. Und wie jedes Jahr üblich, schauen Verlagsmanager auf die Zahlen des nächsten Jahres und stellen ihren Zustell- und Logistikverantwortlichen die Frage: „Wo können wir sparen?“

Und dann? Es beginnt ein langwieriges und wenig zielführendes Hin und Her zwischen Zustellung und Marktverantwortlichen – ein Dialog:

Zustellung: „Wir könnten die teuersten Bezirke nicht mehr zustellen, das spart uns hunderttausende Euro.“

Markt: „Aber dann verlieren wir viele an haltbaren und wertvollen Print-Abonnenten! Der Erlös aus diesen Abonnements übersteigt diese Einsparung bei weitem.“

 

Zustellung: „Wir könnten das Zeitfenster erweitern und zum Beispiel die Zeitung über den Vormittag zustellen. Damit finden wir wieder Zusteller und müssen weniger teure Springer einsetzen.“

Markt: „Aber dann verlieren wir Unmengen an wertvollen Print-Abonnenten! Diese sind die Zustellung bis 6:30 Uhr gewohnt – 7:00 Uhr allerspätestens.“

 

Zustellung: „Wir haben ja auch einen Briefdienst. Wir könnten mehr Menge hybrid mit der Frühzustellung zustellen und die exklusiven Briefbezirke auflösen.“

Markt: „Aber dann können wir unsere neuen Logistikgeschäftsfelder ja nicht mehr umsetzen! Wir müssen ja auch für die Zukunft Neues planen.“

Sie kennen diese Diskussion? Sie ist irrational und nicht lösbar. Wir müssen umdenken. Im Folgenden möchten wir Ihnen drei Denkanstöße geben:

 

1. Zustellung als Dienstleister für den Verlag: Welches Service-Level darf es sein?

Das Hin und Her zwischen Zustellung bzw. Kosten und Markt bzw. Erlösen ist nicht auflösbar. Die Zustellung ist ein Dienstleister. Was dieser leisten soll, muss die Marktseite sagen. Klar kann die Zustellung deutlich günstiger realisiert werden, wenn das damit angebotene Service-Level für den Markt ausreicht.
Ein Gedankenexperiment: wie würden Sie die Zustellung organisieren, wenn das Service-Level sagt: Die Zeitung soll irgendwann über den Tag im Briefkasten sein, Qualität ist nicht so wichtig. Bestimmt könnten Sie damit die Kosten halbieren. Was, wenn die Qualität maximal hoch und die Zeitung bei jedem Winterwetter absolut sicher um 6:30 im Briefkasten sein soll? Auch das ist möglich, aber vermutlich wird es eher doppelt so teuer wie heute.

Die Zustellung muss das liefern, was der Markt braucht. Und ja, das zu einem möglichst guten Preis mit optimierten Prozessen. Wie kommt die Marktseite zu sinnvollen Service-Levels: Experimente und A/B-Tests sind die einzige Möglichkeit. Dazu braucht es zwei Dinge: Daten, analytische Kompetenz und Mut.
Das Data Warehouse als Datengrundlage für explorative Analysen im Logistikbereich ist bei den meisten Verlagen aber noch ferne Zukunft. Der Aufbau von statistisch signifikanten A/B-Tests und Experimenten ist komplex. Und: es braucht Mut, denn der hohe Wert der Print-Abonnenten führt zu Angst – was passiert, wenn wir einige Abonnenten dadurch verlieren? Aber es ist der einzige Weg, die Zukunft aktiv zu gestalten. Die Alternative: dem Auflagenrückgang zuschauen und auf das Beste hoffen.

 

2. Potenziale in der Zustellung: Der richtige Zusteller für den richtigen Bezirk

Der Mindestlohn hat zu viel Optimierung und Professionalisierung geführt. Jeder Verlag musste seine Bezirke vermessen und ein strukturiertes Lohnmodell entwickeln. Hierdurch wurden viele Potenziale gehoben – aber wie sieht es heute aus? Der Bezirk ist optimiert, die Gangreihenfolge ist optimal.  Aus der Kombination mit Parametern wie Geschwindigkeit resultiert der zeitliche Aufwand. Und der Mindestlohn macht daraus dann den Euro-Betrag. Wo gibt es da noch etwas zu optimieren?

Es gibt noch zwei wichtige Hebel. Einen verrate ich Ihnen hier (den anderen verrate ich Ihnen im Gespräch. Melden Sie sich einfach bei mir: c.mayer@schickler.de).
Wir sprechen über die Frage: Ist jeder Zusteller auf dem richtigen Bezirk? Anfahrtswege zum Bezirk. Zwischenwege zwischen den Bezirken. Der Bezirk sollte mit einem PKW zugestellt werden, hat der Zusteller einen Führerschein? Die Liste geht weiter. Die heutige Struktur ist, sie wissen es ja schon, historisch gewachsen. Zusteller A stellt dort zu wo Zusteller B wohnt und umgekehrt. Ein Tausch würde beide zufriedener machen, Anfahrtswege und Qualität erhöhen. Bei den Zweit- und Drittbezirken wird es noch schlimmer. Ein wildes Durcheinander. Den Knoten zu lösen ist händisch nicht machbar. Sie schieben einen Zusteller auf einen neuen Bezirk, jetzt muss ein anderer Zusteller den bisherigen Bezirk übernehmen und was ist mit dem Zusteller, der den neuen Bezirk trägt? Ein Verschiebekarussell. Zieht man noch weitere Rahmenbedingungen hinzu– der Zusteller soll ähnlich viel verdienen wie bisher, hat keinen Führerschein, etc.  – dann wird es noch schwieriger. Händisch ist dieses Problem nicht lösbar – jedenfalls nicht ohne komplett die Nerven zu verlieren.

Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der das Problem löst. Dieser verliert nicht die Nerven und kann viele Rahmenbedingungen problemlos einhalten. Unser System berechnet innerhalb weniger Minuten eine optimale Zuordnung von Zustellern auf Bezirke. Als Ergebnis erhalten Sie einen Vorher-Nachher-Vergleich: welche Bezirke trägt der Zusteller bisher, welche sollte er tragen. Das wilde Durcheinander sieht danach geordnet aus. Und der Vorteil: die Zusteller verbringen mehr Zeit im Bezirk als zwischen den Bezirken. Damit wird die verfügbare Zeit produktiver eingesetzt. Die gesamte Zustellzeit reduziert sich. Die Anzahl der notwendigen Zusteller wird weniger – bzw. ihre täglichen Probleme der unbesetzten Bezirke werden kleiner.

Die möglichen Optimierungen sind heute tiefer im Detail als bisher. Wir haben die Lösung mit Data Science und Algorithmen entwickelt.

 

3. Erlöse und Kosten heute, morgen und übermorgen: Customer-Lifetime-Value Betrachtung

Der Blick auf heutige (Zustell-)Kosten und (Abonnement-)Erlöse eines Abonnenten ist nur die halbe – vielleicht eher die viertel oder achtel – Wahrheit. Bei allen Maßnahmen muss die Frage der Haltbarkeit des Abonnements im Zentrum stehen. Tut sie aber meist nicht. Wie lange wird dieser Abonnent sein Abonnement behalten? Ein Abonnent, der sein Abo voraussichtlich noch ein Jahr behält hat einen anderen Wert als ein Abonnent mit einer erwarteteten Haltbarkeit von zehn Jahren. Jede Entscheidung, die wir über Zustellung treffen, muss die erwartete Haltbarkeit jedes einzelnen Abonnenten einbeziehen. Das machen aber die wenigsten Verlage. Stattdessen schauen wir nur auf den Status quo. Der Blick in die Zukunft ist nicht einfach, aber er ist möglich. Wir haben in Projekten mit unserem Data Science-Team KI-Modelle entwickelt, mit denen wir die Haltbarkeit von Print-Abonnenten vorhersagen können.

Die Vorhersage der Zustellkosten ist dagegen deutlich einfacher. Mindestlohn, Auflagenentwicklung, Abodichte, fertig. Jetzt bringen Sie beides zusammen: zukünftig erwartete Kosten für die Zustellung und zukünftig erwartete Haltbarkeit der Abonnenten. Fertig ist das Customer-Lifetime-Value Modell. Für jeden Abonnenten können sie die zukünftigen Ergebnisbeiträge berechnen. Das ermöglicht den Blick auf den richtigen Wert und Ergebnisbeitrag jedes Abonnenten und den Wert von Regionen. Erst jetzt haben sie die notwendige Transparenz, um Entscheidungen in der Zustellung oder in der Preisstrategie zu treffen. Vorher stochern sie eigentlich nur im Nebel.

 

So, und jetzt dürfen Sie sich wieder der Planung 2023 widmen. Hoffentlich mit neuen Gedanken und Zielen in der Zustellung für das kommende Jahr.

 

Autor: Dr. Christoph Mayer, Geschäftsführender Partner

E-Mail: c.mayer@schickler.de

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