Retention Management im Print – the Next Big Thing?

Unser Kollege Alexander Dilger im Gespräch mit SCHICKLER-Geschäftsführer Alexander Kahlmann:

SCHICKLER: Was genau versteht man unter Retention Management?

Kahlmann: Retention Management beinhaltet alle Instrumente und Aktivitäten, die das Ziel haben, bestehende Abonnementbeziehungen zu halten bzw. auszubauen. In der Vergangenheit waren solche Aktivitäten oft unter dem Begriff Kundenbindung subsumiert. Bei den Aktivitäten des Retention Managements geht es jedoch um mehr als nur Abonnenten möglichst lange in der Abonnementbeziehung zu halten. Es geht darum, sie in dieser Beziehung zu aktivieren und zu engagieren. Im Kern also aus einer passiven eine aktive Beziehung zu machen, die beidseitig und in gesteigerter Häufigkeit zu Kontaktpunkten führt.

SCHICKLER: Aktuell wird sehr viel über Retention Management im Digitalbereich gesprochen – wieso nicht auch bezogen auf Print-Abonnements?

Kahlmann: Das Thema Retention Management war im Print-Sektor bisher kaum relevant. Nach dem Abschluss eines Print-Abonnements hat sich der Verlag erstmal zurücklehnt, da meist 1 Jahr Mindestlaufzeit vereinbart ist. Da Print-Abonnenten in der Vergangenheit mangels attraktiverer Alternativen kaum den Weg einer aktiven Kündigung in Erwägung zogen, waren die Kündigerquoten lange Zeit gering.

Das Thema Retention Management war im Print-Sektor bisher kaum relevant.

Durch das Aufkommen der Digitalisierung und der dadurch gewachsenen Anzahl an alternativen Informations- und Unterhaltungsangeboten fingen Leser aber an, sich bewusster mit ihren Abonnements zu beschäftigen. Sichtbar wurde diese Entwicklung nicht zuletzt an kontinuierlich steigenden sogenannten „Churn-Raten“ bzw. Kündigerquoten im Print-Bereich. Die Branche hat sich bisher sehr schwer damit getan, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Stattdessen wurden die Budgets und Aufwände zur Gewinnung neuer Abonnenten erhöht. Diese Entwicklung ist wie sich zunehmend zeigt wirtschaftlich auf Dauer nicht haltbar. Hier verfolgt das Retention Management einen völlig anderen Ansatz.

SCHICKLER-Geschäftsführer Alexander Kahlmann

SCHICKLER-Geschäftsführer Alexander Kahlmann

SCHICKLER: Welche sind aus deinen jüngsten Projekterfahrungen die Trends im Retention Management für Print?

Kahlmann: Wir beobachten ganz aktuell eine zunehmende Erkenntnis bei Verlagsentscheidern, dass systematisches Retention Management von existenzieller Bedeutung für das Überleben der Print-Publikationen und somit des Verlages ist. Ein weiterer Trend ist die Erfahrung, dass Retention Management im Print wie auch im digitalen Bereich nur mit einer möglichst engagierten Abonnementbeziehung gelingt, d.h. mit regelmäßiger Kommunikation zwischen Abonnent und Verlag. Diese Kommunikation basiert primär auf Impulsen vom Verlag und einer Reaktion durch den Abonnenten.

Wir beobachten ganz aktuell eine zunehmende Erkenntnis bei Verlagsentscheidern, dass systematisches Retention Management von existenzieller Bedeutung für das Überleben der Print-Publikationen und somit des Verlages ist.

Womit wir bei dem dritten Trend wären, nämlich dem Einsatz digitaler Instrumente für das Retention Management im Print. Da z.B. Zeitschriften den Leser üblicherweise nur 1-4x im Monat erreichen und keinen wirklichen Rückkanal erlauben, muss über einen digitalen Zusatzkanal die Beziehung aktiver gestaltet werden. Ein weiterer Trend den wir in dem Zusammenhang beobachten ist, dass trotz der Überflutung mit Newslettern und ähnlichem die Verlagsinhalte über digitale Kanäle von Lesern positiv wahrgenommen werden, da sie bereits eine sehr vertrauensvolle Beziehung zur Printmarke haben.

SCHICKLER: Ist es nicht merkwürdig, mit digitalen Instrumenten die Abonnenten eines Printproduktes zu binden?

Kahlmann: Nein, ist es nicht. In der heutigen Zeit gibt es immer mehr „reifere“ Leser, die verstehen, dass jedes Medium auch seine eigenen Vorteile mit sich bringt. Mehrere Millionen Print-Abonnenten in Deutschland gehen ganz bewusst eine Print-Beziehung ein. Das intelligente Zusammenspiel zwischen Digital und Print erzeugt hier den Mehrwert, diese Klaviatur muss man erlernen und beherrschen. Vertrauen in eine bestehende Medienmarke kann über eine Kombination verschiedener Kanäle ausgeweitet werden, wenn sie sich intelligent ergänzen.

Das intelligente Zusammenspiel zwischen Digital und Print erzeugt hier den
Mehrwert, diese Klaviatur muss man erlernen und beherrschen.

Unsere jüngsten Projekterfahrungen zeigen, dass solche digitalen Zusatzleistungen die Leser weniger verwirren, sondern tatsächlich als Mehrwert wahrgenommen werden.

SCHICKLER: Welche Erfolgsfaktoren sind entscheidend, damit Retention Management für Printprodukte wirklich wirkt?

Kahlmann: Der erste Erfolgsfaktor ist, dass man in der Lage ist, überhaupt mit den Abonnenten digital kommunizieren zu können, Stichwort Datenschutz. Wie schaffe ich die Vertrauensbasis, dass meine Leser ihre E-Mail-Adresse/Opt-In zur Verfügung zu stellen? Wir reden hier von einem Prozess der langfristig und systematisch gesteuert werden muss. Es gilt bestehendes Vertrauen auszubauen und bei neuen Lesern aufzubauen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Effektivität der Kontaktierung von Abonnenten. Das Ansteigen der Opt-Out-Rate ist hier ein beispielhafter Indikator, dass man es vielleicht zu weit treibt mit der Kontaktierung bzw. einfach die Inhalte nicht zutreffend sind. Durch systematisches A-/B-Testing und einer vorsichtig angelegten Profilbildung („Progressive Onboarding“) kann man kontinuierlich diese Effektivität erhöhen und sehr wertvolles Knowhow ausbilden.

Womit wir beim dritten Erfolgsfaktor Effizienz sind. Die Aufwände und Kosten für Retention Management dürfen nicht ins Unermessliche steigen – hierbei spielt Technologie eine entscheidende Rolle. Wir setzen in Projekten zunehmend KI-Ansätze ein, sogenannte Churn Prediction Algorithmen, um jene Abonnenten zu identifizieren, die besonders kündigungsgefährdet sind. Diese Algorithmen können auch eine Einschätzung abgeben, welches die wahrscheinlichsten Kündigungsgründe sind. Dann kann gezielt auf diese Gruppe eingegangen werden und man muss nicht die gesamte Abonnentenbasis mit gleicher Intensität bearbeiten.

Die Aufwände und Kosten für Retention Management dürfen nicht ins
Unermessliche steigen – hierbei spielt Technologie eine entscheidende Rolle.

Gleichzeitig erlauben moderne CRM-/CMS-/Newsletter-Systeme einen hohen Automatisierungsgrad, um zumindest einen Teil der Prozesse im Retention Management zu automatisieren und damit die verbundenen Kosten zu minimieren.

SCHICKLER: Wo sollte denn Retention Management aufgehängt sein – im Marketing oder im Produktmanagement oder ganz woanders?

Kahlmann: Das Thema Retention Management wurde bisher, wenn es überhaupt aktiv gestaltet wurde, meistens dem Marketing zugeordnet. Diese Herangehensweise war aber nicht wirklich zielführend, da das Marketing im Ziel auf die Gewinnung von Neukunden über Kampagnen ausgerichtet ist. Häufig werden auch Leserbindungsmaßnahmen aus den Redaktionen heraus betrieben. Das Problem hierbei ist nur, dass den Redaktionen meistens die Ressourcen und Kompetenzen fehlen, sich dem Retention Management auf datenanalytischer und wirtschaftlicher Ebene zu nähern.

Idealerweise sollte das Retention Management im strategischen Produktmanagement angesiedelt werden. Hintergrund ist, dass hierdurch die bestehenden Abonnentenbeziehungen über die gesamte Customer Journey hinweg optimiert und intensiviert werden können, z.B. durch attraktive Zusatzinhalte, effektiven Kundenservice, passende Serviceangebote, freundliche Fakturatexte, usw. Gleichzeitig kann hierdurch die intelligente Kopplung der Print- und Digitalkanäle sichergestellt werden. Und nicht zuletzt ist wie bereits erwähnt das Retention Management eine strategische Herausforderung für die Existenz des gesamten Verlages.

SCHICKLER: Eine letzte Frage – macht es einen Unterschied ob Retention Management im Zeitungs- oder im Zeitschriftenbereich angewandt wird?

Kahlmann: Nein, es macht keinen Unterschied. Natürlich haben Zeitungen den Vorteil, dass sie täglich erscheinen und somit auch einen täglichen Touchpoint mit dem Print Abonnenten haben. Sie stehen bis zu einem gewissen Grad in einer etwas aktiveren Beziehung zu ihren Lesern als die Zeitschriftenverlage. Die Instrumente, Erfolgsfaktoren, Kanäle und auch das ganze Thema Datenanalytik sind jedoch bei Zeitungen und Zeitschriften sehr ähnlich.

SCHICKLER: Alexander, vielen Dank für das Gespräch!

Sie möchten mehr zu dem Thema erfahren oder mit uns ins Gespräch kommen? Schreiben Sie uns gerne eine kurze E-Mail an a.kahlmann@schickler.de

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