E-Commerce-Strategien für Medienunternehmen

Der E-Commerce-Markt in Deutschland wächst und wächst. Mittlerweile werden jährlich Waren im Wert von über 60 Mrd. € an Endkonsumenten über digitale Touchpoints verkauft. Ein großer Anteil davon entfällt auf die Top 100-Online-Shops wie Amazon, Zalando & Co. Aber auch immer mehr Medienunternehmen verkaufen online unter ihrem eigenen oder fremden Labeln Produkte und bauen sich darüber attraktive Erlössäulen auf. Wir zeigen Ihnen vier unterschiedliche Wege auf, wie auch Sie von diesem Wachstum profitieren können.

4 strategische E-Commerce-Ansätze für Medienunternehmen

Für Medienunternehmen bietet der E-Commerce-Markt verschiedene Möglichkeiten, sich mittels ihrer Medienmarken oder der dem Unternehmen innewohnenden Kernkompetenzen wachstumsstark zu diversifizieren. Diese Kompetenzen bilden die Basis, im E-Commerce-Markt erfolgreich zu sein und Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern realisieren zu können. Eine passgenaue Positionierung in Kenntnis der eigenen Fähigkeiten ist somit ein wichtiger Baustein im diversifizierten Medienhaus-Portfolio der Zukunft.

 

Strategie-Option 1: Die journalistische Marke ausbauen und zum Markenartikler werden

Für Medienunternehmen mit starken, etablierten Marken ist die konsequente Transformation von der Medienmarke hin zum Markenartikler mit einem entsprechenden Produktportfolio eine vielversprechende Chance.

Im Kern dieser Strategie steht die etablierte Marke eines journalistischen Produktes. Mittels einer klaren Markenstrategie ist diese Medienmarke mit emotionalem Mehrwert aufgeladen und erleichtert den Kunden, Angebote von Konkurrenzangeboten zu unterscheiden. Dies stellt eine Bedingung für den erfolgreichen Vertrieb von Produkten dar. Basierend auf dieser Markenentwicklung können so um das Kernprodukt (z.B. das Magazin) herum, Produkterweiterungen vorgenommen und über E-Commerce vertrieben werden.

Vor allem Magazine und Zeitschriften haben auf diese Weise in den letzten Jahren ihr Geschäftsmodell erfolgreich erweitert und im E-Commerce lukrative Erlösquellen gefunden. Mittels ihrer Reichweite und Positionierung können sich die Zeitschriften-Marken als kompetente Kuratoren für besondere Produktlandschaften positionieren, welche ein nachhaltiges Interesse an diesen Produkten über die eigene Leserschaft hinaus hervorbringen. In einem eigenen Online-Shop werden so ausgewählte Handelsmarken (und in einem folgenden Schritt auch Eigenmarken) verkauft. Der Online-Shop wird in der zum Kernprodukt passenden Nische so im Idealfall zu einer von dem eigentlichen Kernprodukt entkoppelten und unabhängigen Anlaufstelle für den Kauf von Produkten.

Burda Style

Praxisbeispiel BURDASTYLE

Der Online-Shop von burdastyle hat sich auf diese Weise als erfolgreiches E-Commerce-Spin-Off eines jahrzehntealten Print-Magazins etabliert. Die bestehende Reichweite durch das mittlerweile fast 70 alte Modemagazin wird online genutzt, um Nähzuschnitte und Nähzubehör zu verkaufen. Mittlerweile aktiv in fünf Sprachräumen (.de, .it, .com, .ua, .ru) schafft es burdastyle, die Kerninhalte des Magazins geschickt online zu übertragen und sich so auch unabhängig vom Magazin als Anlaufstelle für DIY-Mode zu positionieren.

Praxisbeispiel SCHÖNER WOHNEN

Auch Gruner und Jahr hat mit seiner etablierten Magazin-Marke „Schöner Wohnen“ den Sprung in die digitale E-Commerce-Welt erfolgreich bestritten. Rund um die Einrichtung der eigenen vier Wände hat sich der „Schöner Wohnen“ Online-Shop durch das Angebot von fremden Handelsmarken und unter „Schöner Wohnen“-Branding vertriebenen Eigenmarken zu einem wichtigen Design-Marken-Shop im deutschen Wettbewerbsumfeld etabliert. Der „Schöner Wohnen“ Online-Shop befindet sich auf dem Weg zum Online-Vollsortimenter für Marken- und Design-Möbeln, der als Erweiterung der Magazinmarke zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für andere Anbieter in der Living-Nische gewachsen ist.

Praxisbeispiel BARBARA

Das Magazin BARBARA mit klarer Markenpersönlichkeit wird mit konsequenten Erweiterungen, wie der BARBARA Box, über E-Commerce erfolgreich monetarisiert. In einem Abomodell werden vom Markenkopf Barbara Schöneberger kuratierte Produktboxen vertrieben. Das Magazin ermöglicht hier eine Hinleitung und redaktionelle Begleitung dieser Boxen. Diese Boxen wiederum leiten in ihrer Zusammenstellung auf das Magazin hin. Somit verstärken sich Magazinmarke und Produktmarke gegenseitig.

Praxisbeispiel ZEIT

Der Zeitverlag konvertiert seine gewachsene, exklusive Leserschaft über einen sehr kuratierten und inszenierten Online-Shop in zahlende E-Commerce-Kunden. Inszeniert wird der ZEIT Online-Shop bereits seit 2002 als exklusive Boutique und Feinkostladen mit Produkten kongruent zu den Lebenswelten der ZEIT-Leser. Die distinguierte Marke ZEIT wird so exklusiv und pointiert in ein Online-Shopping-Erlebnis transformiert, in welchem die Kunden die gleichen mit der Produkt-Marke ZEIT verbundenen Qualitäten, Werte und Gefühle vorfinden. Der Online-Shop zielt damit auf genau die Zielgruppe der Marke ZEIT ab.

Cosmo living

Praxisbeispiel COSMOPOLITAN

Starke Marken können ihre Reichweite auch dazu nutzen, mit anderen E-Commerce-Anbietern zu kooperieren. So hat die Cosmopolitan aus dem Hause Hearst in Zusammenarbeit mit dem E-Commerce-Versandhaus Wayfair die gebrandete CosmoLiving-Kollektion herausgebracht, welche exklusiv über Wayfair vertrieben wird.

 

Eine weitere Möglich für Verlage – abseits von reinen Affiliate-Strategien, welche nur auf externe Online-Shops verweisen – vom wachsenden E-Commerce-Markt durch eine starke vorhandene Marke zu profitieren, sind z.B. Plug-and-Play-Shop-Lösungen wie Tipser (https://www.tipser.com/). Die schwedische E-Commerce-Lösung hilft Redakteuren und Publishern dabei ihre Inhalte über E-Commerce zusätzlich über Provisionsverkäufe zu monetarisieren. Als Marketplace-As-A-Service stellt Tipser für Verlage einen integrierten und in die Marke eingebetteten Concept Store voller kuratierter Produkte bereit, mit dem starke Medienmarken zusätzliche Erlösquellen generieren können, indem ausgewählte Handelsmarken auf der eigenen Online-Präsenz direkt verkauft werden.

 

Strategie-Option 2: Als lokaler Kümmerer regionale Produkte vertreiben

Vor allem regional verankerte Medienhäuser können sich mit der Strategie des lokalen Kümmerers als Bindeglied zwischen lokalen Unternehmen und ihren Lesern über eigene Shops im E-Commerce-Markt margenträchtig positionieren. Regionale Medien haben eine hohe Nutzer-Bindung und häufig eine Monopol-Stellung in ihrer Region. Mittels dieser hohen Kundenbindung können neue Erlöspotenziale über Online-Shops mit regionalen Produkten erschlossen werden.

Dabei entscheidend ist allerdings für Zielgruppe, Sortiment und Preisgestaltung jeweils klar definierte strategische Grundausrichtungen zu bestimmen.

 

 

Die Online-Shops z.B. der Sächsischen Zeitung, Kleinen Zeitung oder des Südkuriers bieten regionale Produkte sowohl über Eigenmarken als auch Kooperationen an und sind hiermit erfolgreich. In speziellen Nischen werden unter eigenem Branding u.a. regionale Lebensmittel bzw. eigene Schmuck- und Textilreihen angeboten. Ergänzt werden diese Produktreihen durch zusätzliche Zusammenarbeit mit Händlern der Region. Mit Hilfe dieser Differenzierungen können zunächst die margenträchtigen eigenen Marken im lokalen Umfeld platziert werden. Zudem wird der Online-Shop auf diese Weise zur wichtigen Anlaufstelle für den Absatz weiterer Produkte in der Region, womit für einen Verlag auch neue Zielgruppen erschlossen werden können.

Attraktiv erscheint auch die Verwendung lokaler Siege im E-Commerce-Kontext. Die Nordsee-Zeitung aus Bremerhaven hat z.B. mit „Hein! Dein Norden“ eine Regionalmarke als Qualitätssiegel etabliert, welche Produkte von regionalen Herstellern über ihr Siegel brandet und im eigenen Online-Shop vertreibt.

 

Strategie-Option 3: Redaktionelle Storytelling-Fähigkeiten als Agenturleistung anbieten

Abseits von der direkten Nutzung des journalistischen Markenkosmos kann es für Verlage lukrativ sein, ihre journalistischen Kernkompetenzen als Dienstleistung im E-Commerce-Kontext anzubieten. Ein großes Asset von Medienunternehmen sind redaktionelle Content- und Storytelling-Fähigkeiten, welche auch im E-Commerce-Markt immer bedeutender werden. Um Produkte online erfolgreich zu vermarkten, bedarf es neben einem technisch einwandfreien Online-Shop mit hoher Usability auch zunehmend der emotionalen redaktionellen Einbettung der Produkte.

About You – als Vorreiter des digitalen Einkaufsbummels – animiert seine Nutzer mittels aufwendiger Content-Begleitung und Influencer-Marketing zum Kaufen. Kunden wollen beim Online-Kauf von den angebotenen Produktwelten zunehmend emotional abgeholt und inspiriert werden. Mittels des Einsatzes von Storytelling-Formaten können Online-Shops eine emotionale Kundenansprache auf Basis von Werten, Marken und Produkten realisieren und sich somit von der Konkurrenz abgrenzen.

Direkt im Shop, in Social Media, in Blogs und auf Content-Seiten in Print und Digital können Medien hier mit Content-Dienstleistungen – wie Konzept-Erstellung, Content-Produkten und Native Advertising – für E-Commerce-Anbieter erfolgreiches Storytelling betreiben.
Auf mehreren Ebenen treten Verlagen so mit Leistungen auf. Sie erstellen Ratgeber, positionieren Influencer, gestalten aufwendige Produktbeschreibungen oder inszenieren Unternehmensgeschichten oder Produktprozesse im Kontext eines Online-Shops.

Medien haben dementsprechend die Möglichkeit ihre Fähigkeiten für die redaktionelle Inszenierung von Online-Shop-Erlebnissen als Dienstleistung anzubieten und für E-Commerce-Shops bereitzustellen.

 

Strategie-Option 4: Als Logistikdienstleister auf der letzten Meile agieren

Der wachsende E-Commerce-Markt und die steigende Menge der versendeten Waren in Deutschland bieten für regionale Medien mit eigener Logistik die Chance, sich als vollintegrierte Logistikdienstleister auf der letzten Meile zu positionieren.

Die in Verlagen vorhandene Logistikexpertise dient hierbei als Basis für die Konzeption von smarten Logistiklösungen für das regionale Verbreitungsgebiet der Verlage. Die Verlage kennen ihr Verbreitungsgebiet und können unter Ausnutzung von leerstehenden Auslieferungs- und Zustellkapazitäten z.B. als KEP-Dienst für den Online-Handel auftreten.

Durch den Aufbau eigener Depotstrukturen und die Investition in einen an die Zustellregion angepassten Fuhrpark sind Verlage so in der Lage, vor allem abseits der großen Metropolen eine ernstzunehmende Konkurrenz bzw. Kooperationspartner der überregionalen KEP-Dienste wie UPS oder Hermes zu werden.

Gerade für zunehmend nachgefragte Logistikdienstleistungen von E-Commerce-Anbietern, wie Same-Day-Delivery oder die Lieferung von Lebensmitteln, sind überregionale KEP-Dienste abseits der großen Metropolen nicht immer in der Lage, die Nachfrage zu bedienen. Mit Hilfe von innovativen E-Mobilitäts-Lösungen können Verlage sich somit als primärer Carrier in eigens dafür ausgliederten Gesellschaften für die lokale Bevölkerung und Wirtschaft als starker Partner positionieren.

KI-basierte Plattform-Lösungen zur optimierten Steuerung des regionalen Warenversands auf der letzten Meile werden in Zukunft eine große Rolle in der regionalen Logistik spielen. Anbieter wie Cargonexx oder Uber Freight bringen Anbieter von Frachtkapazitäten mit Warenversendern auf der letzten Meile mit Hilfe von Algorithmen zusammen. Auf diese Weise können Verlage ihre Logistik-Kapazitäten optimal auslasten und von den steigenden Warenmengen des E-Commerce auch monetär profitieren.

Hendrik Langen und Per Sievers

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