Reichweitenportale – Geschäftsmodell oder digitales Lernfeld?

Der Druck auf regionale Medienhäuser, sich digital für die Zukunft aufzustellen, wächst stetig. Ein möglicher Produktansatz und potenzielles Geschäftsmodell in diesem Kontext sind Reichweitenportale.

Erfolgreiche Beispiele gibt es einige am Markt wie z.B. Tag24 mit speziellen Stadtportalen oder Regionale Seiten wie infranken.de und nordbayern.de. Auch Portale aus dem Ippen-Netzwerk zeigen, dass Visits in zweistelliger Millionenhöhe selbst bei überschaubaren Einzugsgebieten möglich sind.

Die Gründe für die Einführung eines Reichweitenportals sind unterschiedlich. Einerseits ist die Ausweitung der Online-Angebote für den regionalen Werbemarkt eine Motivation, häufig ausgelöst durch drohende oder bereits vorhandene Konkurrenzanbieter. Andererseits ist die wachsende Suche nach digitalen Geschäftsmodellen für die Zukunft ein Auslöser.

Wann ist ein Reichweitenportal für ein Medienhaus sinnvoll?

Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig davon, in welcher Entwicklungsstufe der digitalen Transformation sich die Organisation befindet.

Bei einer bereits implementierten Paid-Content-Strategie und entsprechender digitaler DNA in der Redaktion sollte der Fokus auf dem Premium-/Markenportal bleiben. Die Weiterentwicklung von bereits funktionierenden Bezahl-Ansätzen ist wertvoller für die Organisation als ein weiteres digitales Produkt, welches mit Quantität statt Qualität arbeitet.

Steht die Organisation allerdings noch am Anfang des Digitalisierungsprozesses und ist die Entwicklung von Paid-Content-Ansätzen noch in den Kinderschuhen, kann der parallele Betrieb eines Reichweitenportals neben einem Markenportal zielführend sein. Die Lernkurve bezüglich der Funktionsweise von datengetriebenem digitalem Content wird durch diese Parallelität noch beschleunigt – schließlich sind Bezahlmodelle und Reichweite wichtige Säulen der digitalen Transformation.

Nichtsdestotrotz kann ein Reichweitenportal auch bei fortgeschrittenem digitalen Reifegrad einer Organisation Mehrwerte bieten. Die breite Masse an Usern auf einem Reichweitenportal ist tendenziell nicht bereit, für Inhalte im Internet zu zahlen – nach zielgruppenanalytischen Erkenntnissen sind das 60 – 70%. Diese für Paid-Content nicht zu gewinnenden Zielgruppen sind von Relevanz im regionalen Werbemarkt. Durch ein Reichweitenprodukt können die lokalen Werbeerlöse in Konkurrenz zu lokalen jungen Websites oder Blogs gesichert werden.

Welchen Nutzen können Reichweitenportale stiften?

Der digitale Lerneffekt für die Organisation ist der größte Nutzen dieses Produktes. Eine Grundlage für erfolgreiche Paid-Content-Modelle ist Reichweite – die Notwendigkeit, das diesbezügliche Zusammenspiel von Daten und Content zu erlernen, ist riesig.

Quelle: SCHICKLER

Ein Reichweitenportal kann als digitales Lernfeld für datengetriebene Content-Erstellung und -bearbeitung den digitalen Transformationsprozess unterstützen. Neben der Verprobung von Ansätzen im Markenportal (welches das Risiko birgt, bei Fehlern Stammleser zu verlieren) wird eine parallele Umgebung geschaffen, in der die Wirkung analysebasierter redaktioneller Arbeit ausprobiert werden kann. Die Identifizierung von Veränderungen im Content-Bedarf der Leser durch Technologieeinsatz am lebenden Objekt zu lernen ist wertvoller als jede Theorie.

Worauf ist beim Aufbau zu achten?

Ist die Entscheidung für das Lernfeld Reichweitenportal gefallen stehen bei der Einführung insbesondere technische und personell-organisatorische Aspekte im Fokus. Bei der technischen Plattformentscheidung bieten sich die Optionen einer Komplettlösung inkl. angelieferten meist überregionalen Inhalten und einer Eigenentwicklung an. In beiden Fällen müssen Analyse-Funktionalitäten wie Performance-Reporting, Tracking und idealerweise Prediction-Modelle zur Verfügung stehen. Personelle Spezialkompetenzen im Bereich Datenanalyse sind aufzubauen bzw. einzukaufen, denn ohne dynamische Bereitstellung der analytischen Erkenntnisse in Echtzeit ist die erfolgreiche Steuerung eines Reichweitenportals nicht möglich. Zudem ist es für stabile Reichweitenzahlen unerlässlich, auf die sich regelmäßig verändernden Algorithmen bzgl. Suchmaschinen-Rankings technisch reagieren zu können, wie unlängst die Google-Anpassung zur Bevorzugung von Erstberichterstattung deutlich machte.

Quelle: SCHICKLER

Und nicht zuletzt braucht es eine Redaktion, die zwingend datengetrieben arbeiten kann und will – und dies mit Content, der eher boulevardesk und auf Reichweite getrimmt ist. Die Redakteure sollten in der Lage sein, ca. 150 bis 200 selbsterstellte originäre Texte bzw. angepasste Agentur-Artikel pro Tag auf dem Portal zu veröffentlichen. Nur so kann eine Relevanz erzeugt werden, die eine signifikante Reichweite erzeugt.

Ein ausreichendes Einzugsgebiet von erfahrungsgemäß mindestens 2 Millionen Einwohnern, ein prägnanter kurzer Name und optional der ergänzende Einsatz von Social-Media sowie einer App komplettieren die zu erfüllenden Anforderungen an ein Reichweitenportal.

Sind Reichweitenportale das digitale Erfolgsmodell der Zukunft?

Die Antwort ist Nein – die genauere Betrachtung zeigt, dass das Geschäftsmodell Reichweitenportal sich langfristig nicht tragen wird. Woran liegt das? Nationale und lokale Vermarktungserlöse können bei entsprechender Reichweite das Portal in die Gewinnzone bringen. Der (weltweite) Trend zur stärkeren Nutzung mobiler Endgeräte anstatt Desktops beim Nachrichtenkonsum lässt das Werbepotenzial allerdings tendenziell schrumpfen. Durch die hohe Abhängigkeit von Suchmaschinen muss zudem mit einer hohen Schwankung bei den Reichweitenzahlen gerechnet werden. Fazit: Der Business Case kann sich rechnen – aber ein Nachrichten-Reichweitenportal wird aufgrund der Volatilität von Werbeerlösen und User-Zahlen kein Kern-Geschäftsmodell in der digitalen Zukunft von regionalen Medienhäusern sein.

Fazit

Reichweitenportale sind nicht DAS digitale Geschäftsmodell der Zukunft, aber sie können für einige Verlage ein wichtiger Entwicklungsschritt in der digitalen Transformation sein. Liegt der Fokus bereits auf Paid Content muss der Mehrwert eines Reichweitenprodukts genau geprüft werden. Grundsätzlich gilt: Die Kenntnis von Mechanismen der datengetriebenen redaktionellen Arbeit und von Erfolgsfaktoren in Bezug auf Reichweitensteigerung sind für langfristige Paid-Content-Geschäftsmodelle auf Markenportalen und die grundsätzliche Digitalisierung von Organisationen ein Muss.

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