Fernsehen versus Video-on-Demand: Die Revolution geht weiter

Vor zehn Jahren haben TV-Sender weltweit den Video-on-Demand-Markt (VOD) noch nicht ernst genommen. Netflix hatte da schon längst angefangen, nicht mehr nur DVDs zu verschicken, sondern Content auch über Streaming zur Verfügung zu stellen. Netflix traf den Zeitgeist vieler Kunden, rollte sein Geschäft zügig weltweit aus und schuf ein ganz neues Bedürfnis für die Zuschauer: das „Binge-Watching“ (mehrere Serienfolgen am Stück schauen). Mit dem sogenannten Content ATAWAD („anytime, anywhere, any device“) geriet die weltweite TV-Branche kräftig ins Wanken.

Noch bevor sich die Streaming-Dienste wie Netflix oder auch Amazon Prime Video 2014 am deutschen Markt etablieren konnten, versuchten die deutschen Sender und Medienunternehmen schon ihre Kräfte zu bündeln und eigene Plattformen zu schaffen. RTL und ProSiebenSat1 planten die VOD-Plattform „Amazonas“, auf der sie alle ihre Inhalte verbreiten wollten. 2011 hatte das Bundeskartellamt dem eine Absage erteilt, das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Verbot ein Jahr später.

2019 geht die Disruption des TV-Markts durch VOD weiter. Zahlreiche alte und neue, nationale und internationale Player stürmen auf den VOD-Markt und wollen Teil vom Kuchen des Medien-Budgets der Kunden (zurück).

In den USA wird im Frühjahr 2020 Warner Media HBO Max als weiterer Streaming-Dienst erwartet. Serien wie „Friends“ oder die Sitcom „The Fresh Prince of Bel Air“ werden dann bei HBO Max zu sehen sein und in den USA nicht mehr für Netflix zur Verfügung stehen. HBO Max gibt schon jetzt umfangreiche Originalprogramme in Auftrag (sog. Max Originals).

Vor HBO Max wird Disney+ im November in den USA sowie in Kanada, Australien Neuseeland und in den Niederlanden launchen. Disney+ hatte 2017 seine Verträge mit Netflix gekündigt. Ende März dieses Jahrs hat Disney die Übernahme von 20th Century Fox abgeschlossen und ist nun endgültig bereit für den nächsten Schritt zum Streaming-Dienst. Während WarnerMedia den Zeitplan noch nicht bekannt gegeben hat, plant Disney+ schon 2020 in Deutschland und bis Ende 2021 weltweit erhältlich zu sein.

Mit Apple TV+ betritt ein weiterer Streaming-Dienst die Bühne der USA. Die neue Plattform soll Apple-hausintern schon „Netflix-Killer“ genannt werden. Der Launch ist für November 2019 und auch in Deutschland geplant. Auch Apple lässt schon Originals produzieren, wird aber mit einem viel kleineren Portfolio starten als Disney, Warner, Netflix oder Amazon. Die Basis-Abo-Gebühren der Dienste in den USA werden zwischen USD 4,99 (Apple TV+), USD 6,99 im Monat (Disney+) und USD 8,99 im Monat (Amazon Prime, Netflix) liegen.

Auch in Deutschland hat sich einiges getan: Joyn ist gerade erst im Juni als Joint Venture zwischen ProSiebenSat1 und Discovery als Streaming-Dienst gestartet und hat 7TV abgelöst. Zurzeit ist die Plattform noch kostenlos, bietet Zugang zu mehr als 50 Fernsehsendern über Live-Stream und On-Demand-Inhalte von den Programmen der Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe und des Discovery-Konzerns. Bis Ende des Jahres sollen Maxdome und der Eurosport Player integriert werden. Was das Premium-Abo kosten wird ist noch nicht bekannt. RTL‘s TVNOW hat den Monatspreis auf Euro 4,99 erhöht und wartet neben dem bekannten RTL-Produkt auch mit exklusiven Serien auf.

Für die Nutzer wird es in der nächsten Zeit unbequem. Die Netflix- und Amazon Prime-Abos alleine werden wahrscheinlich nicht die ganze Familie zufriedenstellen können. Sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Plattformen recht schnell konsolidieren werden. Insbesondere Disney+ und HBO Max haben bessere Karten als ein Dienst wie Netflix, da diesen ein fast 100-jähriger Rechte-Stock mit tausenden von Stunden zur Verfügung steht. Die Klassiker und langlaufenden Serien sind zwar nicht die Wachstumstreiber (das sind die Originals), aber garantieren eher, dass die Kunden nicht schnell wieder kündigen. Ob eine Konsolidierung noch vor Launch dieser neuen Plattformen in Deutschland stattfindet, bleibt abzuwarten. Auch bleibt es spannend, ob ProSiebenSat1 und RTL mit TVNOW und Joyn mergen, so wie sie es 2011 schon mal geplant hatten, und ob sie sich bei den Nutzern gegen die amerikanischen Plattformen langfristig mit ihrem Produkt durchsetzen können. Was den Sportbereich und insbesondere den Fußball angeht, so ist es schon heute sehr unbequem für die Nutzer. Um alle Bundesliga-Spiele zu sehen, benötigt man sowohl ein Sky- als auch DAZN-Abo.

Die kommerziellen deutschen TV-Sender setzen auf die richtige Strategie, neben dem linearen Fernsehen auch VOD-Plattformen am Markt zu etablieren. Das lineare Fernsehen ist aber noch lange nicht tot. Erst zuletzt hatte ProSieben mit „The Masked Singer“ fantastische Einschaltquoten bei den 14-49Jährigen mit knapp 40%. Der Kampf um die Zuschauer geht aber weiter, ob linear oder non-linear.

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